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Ein Tag unter  Königen

Jeden Samstag bietet sich im Atzmännig ein ganz besonderes Bild: Im Schatten des grossen Sonnenschirms warten Bussarde, Falken und ein Uhu auf ihren grossen Auftritt und darauf, die kleinen und grossen Zuschauer zu begeistern. Denn von Frühling bis Herbst haben Besucher die einmalige Gelegenheit, die stolzen Raubvögel an einer Greifvogel-Show und an der faszinierenden Greifvogel-Wanderung hautnah zu erleben.

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Den Kopf in den Nacken gelegt, streckt Christoph Küpfer seinen Arm in die Luft. «Abraxa! Abraxa!», ruft er immer wieder lauthals. Was wie eine mysteriöse Zauberformel klingt, ist der Rufname des Amerikanischen Wüstenbussard-Weibchens. Die schon etwas in die Jahre gekommene Vogeldame beobachtet die Szene in stoischer Gelassenheit vom Ast einer Tanne. Dann – auf einmal – stösst sie sich ab und stürzt sich elegant und zielsicher auf den mit einem Stück Fleisch bespickten Handschuh. Trotz ihrer Flügelspannweite von über einem Meter gleitet Abraxa mühelos und ohne jemanden zu berühren zwischen den Zuschauern hindurch. Sie nimmt die Beute zwischen ihre scharfen Krallen und zerrt mit dem Schnabel am Fleisch. Aus der Fassung bringen lässt sich die erfahrene Dame nicht. Nicht einmal von all den fremden Leuten, die sie in diesem Augenblick ganz genau beobachten. Solche Vorführungen ist sie sich schliesslich gewohnt. Denn die kostenlose Greifvogel-Show findet hier im Atzmännig von Frühjahr bis Herbst jeden Samstag statt. Eine Begegnung der besonderen Art für Gross und Klein! Und auch an diesem Tag sind viele Familien mit von der Partie, die das Spektakel gespannt mitverfolgen.

Mein persönliches Highlight folgt jedoch erst im Anschluss: die Greifvogel-Wanderung! Mit der Sesselbahn geht’s bergwärts zum Ausgangspunkt der Wanderung. Und als ich mich während der Fahrt umdrehe, bietet sich mir ein Anblick, der mich schmunzeln lässt: Christoph Küpfer, der Falkner und Wanderführer, sitzt zusammen mit Abraxa, der Wüstenbussard-Dame, auf dem «Sesseli» – beide total entspannt und zufrieden, als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt. Oben angekommen geht’s endlich richtig los! In der Gruppe wandern wir in Richtung Tal, während Christoph Küpfer uns spannendes über den Raubvogel erzählt. Ich schaue nach oben und erspähe Abraxa, die sich gemächlich von Baum zu Baum bewegt, aber immer in Sichtweite bleibt. «Das Jagen verlangt den Vögeln sehr viel Energie ab», erklärt der Experte. «In freier Wildbahn ruhen Greifvögel bis zu 95% des Tages. Erst wenn sie eine Beute in ihrer Nähe ausmachen, legen sie sich eine möglichst effiziente Jagdstrategie zurecht und greifen dann mit ihrer individuellen Strategie an.»

Das wollen wir jetzt aber mit eigenen Augen sehen! Ein Stück weiter talwärts gibt der Falkner seinen Lederhandschuh an die kleine Sarah weiter, die Abraxa zu sich ruft und mit einem Happen Fleisch anlockt. Die anfängliche Unsicherheit in den Augen des Mädchens verwandelt sich sofort in helle Begeisterung, als der Wüstenbussard überraschend sanft auf ihrer ausgestreckten Hand landet. «Trotz ihrer Grösse kann Abraxa problemlos hier auf dem Wanderweg zwischen den Bäumen ihre Beute holen», sagt Küpfer. Mit einem Falken hingegen wären dieselben Übungen problematisch. «Der Falke benötigt für seine Jagdstrategie mehr Platz und stürzt sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h auf seine Beute. Da wäre eine Landung auf deinem Handschuh nicht mehr so angenehm», sagt der Falkner zur Sechstklässlerin. Unterwegs zum Zielort erfahren wir noch viele weitere interessante Informationen zu Abraxa und ihren Artgenossen und alle haben die Chance, den Vogel aus nächster Nähe zu bewundern. 

Bei der Heimfahrt blicke ich aus dem Busfenster auf den Zürichsee hinab. In Gedanken bin ich noch immer bei den faszinierenden Raubvögeln. Ich schliesse meine Augen – und für einen kurzen Moment schwebe ich wie ein Wüstenbussard ganz schwerelos über die grünen Wiesen im Atzmännig. Ich kann es kaum erwarten, die vielen Schnappschüsse und Videos vom heutigen Erlebnis meinen Freunden zu zeigen...